Glasaale im Steinhuder Meer ausgesetzt

Sie sehen eher aus wie Regenwürmer - allerdings eben fast durchsichtig. Jedenfalls ist für den Laien kaum vorstellbar, daß aus den im Steinhuder Meer ausgesetzten  Baby-Aalen der so beliebte Räucheraal wird!

Die Station am Steinhuder Meer ist eine von vielen in der Region zwischen Göttingen und Hannover, bei denen in diesem Jahr ca. 150.000 Baby-Aale ausgeliefert wurden. 

Ab in die Freiheit, ihr Winzlinge!


Angelvereine setzen sich aktiv für den Aalschutz ein, in Niedersachsen ist das Engagement auf einem Rekordniveau angekommen: Rund 4.000.000 Aale werden bis Juni von Anglerinnen und Anglern niedersachsenweit in ca. 250 Flüssen und Bächen ausgesetzt. Am 5. März startete die diesjährige Besatzkampagne mit 2,5 Millionen Mini-Aalen, den sogenannten Glasaalen, im Steinhuder Meer.

Ziel des Programms: Der seit vielen Jahren festgestellte Rückgang der Aalpopulation in Niedersachsen soll gestoppt und umgekehrt werden. Eine Vielzahl von Faktoren, wie Stauwehre, Gewässerausbau oder illegaler Aalschmuggel nach Asien haben den schlangenförmigen Wanderfisch auf die Rote Liste gefährdeter Arten gebracht. Auch deshalb wurde der Aal zum Fisch des Jahres 2025 gekürt.

Der Anglerverband Niedersachsen koordiniert in Niedersachsen das von Land und EU geförderte Aalbesatzprogramm und hat zum Aal-Jahr 2025 spannende Informationen zu dem Lebenszyklus der Aale zusammengestellt.

 

Aale wandern bis zu 6.000 Kilometer, um sich zu paaren!

Jedes Jahr, meist zwischen Januar und März, geschieht in der Nähe der Bermudas ein Naturwunder, das bis zu uns in Norddeutschland zu spüren sein wird: Große Aale von bis zu 1,5 m Länge paaren sich. Blankaale werden die Elterntiere aufgrund ihrer hellen Färbung genannt. Für den Liebesakt in der Sargassosee sind sie bis zu 6.000 km durch Europas Bäche, Flüsse, Meere und schließlich den Atlantik geschwommen, um dort im Alter von 10 bis 30 Jahren Millionen von Eiern zu legen und ihr Leben zu beschließen.

Der Aal-Nachwuchs macht sich gleich nach dem Schlupf auf den Weg nach Europa. Die millimeterkleinen Larven entwickeln sich nach einigen Wochen zu sogenannten Weidenblattlarven – ein Name, den sie aufgrund ihres Aussehens erhalten. Zwei bis drei Jahre lassen sich die Jungtiere vom Golfstrom treiben. Wenn sie an den europäischen Küsten angekommen sind, haben sie sich dann zu sogenannten Glasaalen entwickelt. Diese sehen ausgewachsenen Aalen von der Form schon ähnlich, sind aber nur rund acht bis zehn Zentimeter lang und – wie der Name besagt – durchsichtig.

 

Die feinste Nase im Tierreich

Glasaale wandern Flüsse und Bäche herauf, wo sie zu stattlichen Gelbaalen heranwachsen. Auf ihrer langen Reise nutzen die Tiere ihre erstaunlichen Fähigkeiten: Aale können so gut riechen, dass sie einen Tropfen Parfüm in der dreifachen Menge Wasser des Bodensees ausfindig machen könnten. Und wenn ein Hindernis im Weg steht, können sie kleine Strecken sogar schlängelnd über Land zurücklegen und dabei Luftsauerstoff über ihre Haut einatmen. Doch seit einiger Zeit nimmt die Reise der Glasaale an Europas Küsten ein jähes Ende.

 

Wasserkraftwerke werden zur Todesfalle

Von den vor 40 Jahren in vielen Flüssen zu beobachtenden riesigen Schwärmen von Millionen Glasaalen ist fast nichts mehr geblieben: Seit den 1980er Jahren ist das Glasaal-Aufkommen an den europäischen Küsten um mehr als 95% zurückgegangen. Wasserkraftwerke und Wehre versperren wandernden Aalen ihren Weg flussaufwärts. Auch Blankaale, die den Rückweg antreten, werden davon nicht verschont: wenn sie in eine Turbine geraten, helfen den Tieren auch ihre bereits beschriebenen Fähigkeiten nicht weiter: Quetschungen, Wirbelbrüche, Verstümmelungen und Tod sind die Folgen. Geschätzt werden in deutschen Flüssen jährlich rund 270 Tonnen abwandernde Blankaale durch Wasserkraftanlagen und Kühlwasserentnahmen getötet, das sind rund eine halben Million Tiere. Fischtreppen und andere Wanderhilfen erfüllen häufig nicht ihren Zweck, weil sie von den Tieren oft nicht gefunden werden.

 

Aal als Schmuggelware: Teurer gehandelt als Kokain!

Damit nicht genug, werden viele Millionen Glasaale für den illegalen Export nach Asien gefangen. Das Geschäft ist lukrativ, die Strukturen mafiös: Der Schwarzmarktpreis für einen Kilogramm Aale liegt teils über dem von Elfenbein oder Kokain.

 

Und noch mehr Probleme:

Aale haben auch andere Feinde: Krankheiten wie der Aalherpes,  Parasiten wie der Schwimmblasenwurm oder Fressfeinde wie Kormorane oder Robben gehören dazu. Menschengemachte Probleme sind Schadstoffe, wie Dioxine und nachteilige Veränderungen von Gewässerlebensräumen durch Begradigungen von Fließgewässern. Natürlich hat auch die Fischerei einen Einfluss, doch gibt es seit 2023 in Niedersachsens Küstengewässern ein Aalfangverbot. Und in Niedersachsen tun Angelvereine viel für den Arterhalt von Aalen.

 

Hoffnung für den Aal

Um dafür zu sorgen, dass in Norddeutschlands Flüssen trotzdem noch Aale vorkommen, koordiniert der Anglerverband Niedersachsen ein besonderes Programm: Glasaale werden in Frankreich von zertifizierten Fischereibetrieben in streng regulierten Quoten gefangen und dann per Lastwagen an allen Hindernissen vorbei bis nach Niedersachsen gefahren. Dort werden sie von Angelvereinen wieder in die Freiheit entlassen. Die Kosten übernehmen zu 60 Prozent die EU und das Land Niedersachsen. Den Rest stemmen die Anglerinnen und Angler aus ihren Vereinskassen. Die Aktion läuft im Rahmen des niedersächsischen Aalförderungsprogramms seit fast 15 Jahren. In diesem Jahr kommt noch eine großzügige Spende des Vereins Aalinitiative e.V. dazu. AVN-Biologe Ralf Gerken: „Im Jahr 2025 haben wir ein Rekordhoch an Aalbestellungen unserer Angelvereine für den Arterhalt. Angler sind somit wichtige Stützen für den bedrohten Fisch und bringen weit mehr Tiere aus, als sie für den Eigenbedarf entnehmen.“ Diese Aussage wird durch den aktuellen Umsetzungsbericht zum nationalen Aalbewirtschaftungsplan unterstützt:  Auch dank der Besatzmaßnahmen der Angelvereine sei endlich ein Ende des Abwärtstrends vom Aalbestand festzustellen. Aber es reicht nicht: „Dauerhaft müssten Gewässer wieder durchgängig werden und illegaler Aalschmuggel unterbunden werden“, so Gerken.


AVN/Ute Micha, PreDiNo/Sigrid Lappe, HaWo/Foto © Matthias Falk, hannover_fotografie